28.06.2024 • von Wolfgang Kirfel
KALL - Weil die Windenergie bundesweit stärker ausgebaut werden soll, wird in vielen Kommunen aktuell über den Bau neuer Windräder oder das Repowering bestehender Anlagen nachgedacht. In Kall kommen für den Bau eines neuen Windparks vor allem die Wälder am Wackerberg zwischen Kall, Gemünd und Nierfeld infrage. Die e-regio erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, dass aktuell Gespräche mit Grundstückseigentümern im Bereich Wackerberg geführt werden. Einer der Eigentümer ist die Gemeinde Kall.
Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ soll der Ausbau der Windenergie bundesweit vorangebracht und der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bis 2030 verdoppelt werden. Das Land NRW will im Rahmen einer Änderung des Landesentwicklungsplans weitere Flächen für Windparks zur Verfügung stellen. Kritiker bemängeln, dass damit in die kommunale Selbstverwaltung eingegriffen werde.
Im Rahmen der Regionalplanung werden in den Kommunen Windkonzentrationszonen ausgewiesen. Dazu gehört in Kall neben einem größeren Bereich am Wackerberg nur noch eine kleine Zone zwischen Rinnen, Sötenich und Steinfeld.
Die Wälder auf dem Wackerberg gehören der katholischen Kirchengemeinde Olef, der Arenbergischen Forstverwaltung und der Gemeinde. „Wir sind aktuell im Gespräch mit einer Vielzahl von Kommunen und Grundstückseigentümern und sondieren, wo sich geeignete Flächen befinden“, teilt e-regio-Pressesprecherin Ilona Schäfer mit. Das gelte auch für den Wackerberg. „Sollten diese Gespräche erfolgreich verlaufen, steigen wir in die konkrete Planung ein, werden darüber detailliert informieren und die Menschen vor Ort einbeziehen“, so Schäfer.
Bei allen Projekten im Bereich erneuerbare Energien arbeite man partnerschaftlich mit den Kommunen, Bürgern und Unternehmen zusammen und sorge dafür, dass die Wertschöpfung zum Beispiel durch Bürger- und Kommunalbeteiligung in der Region bleibe.
Im Kaller Ausschuss für Entwicklung, Umwelt, Digitalisierung und öffentliche Sicherheit war man sich einig, dass die Gemeinde nun ihre Marschrichtung festlegen muss. „Wir müssen in das Thema einsteigen und sagen, was wir wollen“, erklärte Dr. Manfred Wolter (FDP). Man habe die Karte des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz vor Augen und kenne die Zone auf dem Wackerberg. Das Gebiet sei problematisch. „Da für die Windräder keine Höhenbegrenzungen gelten, gibt es Unruhe in der Bevölkerung. Wenn jemand auf privatem Grund Windräder bauen will, können wir nicht viel machen“, räumte Wolter ein.
„Die Bevölkerung muss an dem Prozess beteiligt und es muss dafür gesorgt werden, dass die Belastungen verteilt werden“, meinte Emmanuel Kunz (SPD). In Bezug auf den Wackerberg meinte er: „Wir müssen überlegen, wie wir mit Flächen umgehen, die der Gemeinde gehören.“
Klaus Pütz (Grüne) fragte nach, ob es schon Gespräche wegen eines Repowerings der Anlagen auf dem Honderberg bei Golbach gegeben habe. „Dort steht eine Anlage zu nah am Ort“, beklagte Kunz. Immer wieder gebe es Beschwerden wegen Lärmbelästigungen oder Eiswurf: „Wir sollten sehen, dass wir das eine Windrad wegbekommen.“
„Repowering kann auch dazu führen, dass Belastungen reduziert werden“, sagte Dr. Guido Huppertz (Grüne). Kritikern von Windrädern hielt er entgegen, dass Anlagen zur Energieerzeugung nie attraktiv, aber alternativlos seien: „Windräder und PV-Anlagen sind sicherlich keine Eye-Catcher. Ich möchte aber auch nicht neben einen Kohle- oder einem Atomkraftwerk wohnen.“
Im Gemeindegebiet gebe es insgesamt wenige Bereiche, die für Windenergie infrage kämen, meinte Bürgermeister Hermann-Josef Esser. „Auf dem Wackerberg gehören einige dieser Flächen der Gemeinde.“ Man werde Kontakt mit den anderen Eigentümern aufnehmen. „Wir werden langfristig wirtschaftliche Vorteile haben, wenn wir energiemäßig autark sind“, erklärte Esser. Ihm sei es lieber, wenn Windräder im Gemeindegebiet stünden als unmittelbar hinter der Grenze. Wichtig seien Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger. „Für den Wackerberg muss eine Lösung gefunden werden, die alle Beteiligten mitgehen können.“
Manfred Kanzler, der mit seiner Frau im Haus Wackerberg lebt, hatte nach eigenen Angaben schon vor einiger Zeit von den Gedankenspielen auf dem Wackerberg Wind bekommen und sich umgehört. Ende März habe er dann einen Anruf vom Naturschutzbund Deutschland erhalten: „Die Frau meinte, 'das sieht gar nicht gut aus. Da könnten bald ein oder zwei Dutzend Windräder rund um ihr Haus aufgestellt werden, mitten im Wald auf dem Wackerberg'“.
„Vor zehn Jahren hatte die Gemeinde Kall schon einmal Windkraftpläne für den Wackerberg entwickelt“, erklärte Kanzler. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW verzeichne hier insgesamt acht Naturschutzgebiete und geschützte Biotope. „Deshalb wurde das Projekt seinerzeit still zu Grabe getragen und taucht jetzt wieder auf.“
Inzwischen gehe es aber nicht nur um Fledermäuse, Rotmilane und Schwarzstörche. „Die Flut vom 14 Juli 2021 hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Bäche und Flüsse nach Starkregenereignissen die Wassermassen nicht mehr ableiten können“, so Kanzler.
Waldböden bestünden aus einer Mischung von organischem Material und mineralischen Bestandteilen. Deswegen könne das Niederschlagswasser dort schnell und effizient eindringen und gespeichert werden. „Die Böden tragen außerdem zur Klimaregulation bei, indem sie Kohlendioxid speichern und die lokale Temperatur und Luftfeuchtigkeit regulieren“, sagte Kanzler.
Die Versiegelung des Waldbodens durch Betonsockel für Windräder und die Bodenverdichtung durch breite Zufahrtswege verhindere die Wasseraufnahme. Kanzlers Fazit: „Bei der Umsetzung der Windkraftpläne würden die Bewohner der Ortschaften rund um den Wackerberg in Kall, Gemünd, Nierfeld, Olef und Schleiden in Zukunft noch größeren Gefahren ausgesetzt sein als im Juli 2021.“