S tern-Reporter Gerd Heidemann erwartet im Frühjahr 1983 einen Jahrhundert-Coup: Der Kunsthändler Konrad Kujau hat ihm die privaten Tagebücher Adolf Hitlers zur Veröffentlichung angeboten.
Konrad Kujau, der eigentlich ein Kunstfälscher ist und Devotionalien an Alt-Nazis und Sammler verkauft, erwartet das Geschäft seines Lebens: 9,3 Millionen DM wird ihm der Verlag der Illustrierten Stern für die gefälschten Tagebücher zahlen.
Die 62 Kladden anzufertigen, war schließlich auch eine Menge Arbeit, das will angemessen honoriert werden.

Stern-Stunde: Selten so blamiert

Am 25. April 1983 erklärte der Stern auf einer internationalen Pressekonferenz, Adolf Hitlers geheime Tagebücher befänden sich in seinem Besitz. Drei Tage später begann die Veröffentlichung von Auszügen aus den Tagebüchern als Serie.
Schriftexperten, denen der Verlag die Manuskript-Kladden vorgelegt hatte, bestätigten die Echtheit, auch das Bundesarchiv war zuerst von der Authentizität überzeugt. Da war das Bundeskriminalamt (BKA) ganz anderer Meinung: Am 6. Mai 1983 wurde ein Gutachten veröffentlicht, das eindeutig von einer Fälschung ausging.
So seien die bei der Bindung verwendeten Materialien erst nach dem Zweiten Weltkrieg hergestellt worden. Durch die chemische Analyse des Papiers waren optische Aufheller nachgewiesen worden, wie sie erst seit den fünfziger Jahren verwendet wurden.

Von dieser Blamage hat sich der Stern lange nicht erholt. Die Illustrierte musste sich für die Veröffentlichung der Fälschung öffentlich entschuldigen, die Chefredaktion trat zurück, die Auflage des Blatts fiel massiv.

Nachspiel vor Gericht

Kujau und Heidemann wurden in Hamburg vor Gericht gestellt und verurteilt. Kujau legte ein Geständnis ab, die 62 Bände selbst geschrieben zu haben, und erhielt wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung viereinhalb Jahre Haft. Nach deren Verbüßung nutzte er seine gewonnene Popularität und eröffnete in den neunziger Jahren ein eigenes Atelier, in dem er „original Kujau-Fälschungen“ verkaufte - teilweise für mehrere tausend DM.
Heidemann erhielt sogar eine zwei Monate längere Haft, weil er nach Auffassung des Gerichts einen Betrag in Millionenhöhe unterschlagen haben, anstatt ihn an Kujau weiterzuleiten. Danach lebte er zeitweise von Sozialhilfe.

Schtonk

In Anlehnung an den Medienskandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher schuf Regisseur Helmut Dietl (Monaco Franze, Kir Royal) mit "Schtonk!" 1991 eine bissige Satire über Sensationsgier, Leichtgläubigkeit und Führerkult - für viele DIE deutsche Kino-Satire überhaupt.
Den Fälscher, der bei ihm Fritz Knobel heißt, spielte Uwe Ochsenknecht. Den Reporter mit dem fiktiven Namen Hermann Willié besetzte Dietl mit Götz George.
Auf das gestörte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Geschichte hinzuweisen, das ist Dietl ein wichtiges Anliegen. Auch deshalb lässt der gebürtige Münchener all’ sein Herzblut in die Verfilmung der Stern-Affäre fließen. In fast drei Jahren schreibt er Teile des Drehbuchs bis zu achtzehnmal um und leiert der Bavaria Produktionsgesellschaft ein Millionenbudget aus den Rippen. Auch aus Nordrhein-Westfalen fließt Geld. Schtonk! ist der erste Film, für den ein Förderantrag bei der Filmstiftung NRW eingeht. Am Ende stehen Dietl knapp 14 Millionen DM zur Verfügung – zu Beginn der 1990er Jahre ist das eine Hausnummer, deutsche Blockbuster kosten zu dieser Zeit die Hälfte.
Trotz einer Oscar-Nominierung als bester nicht-englischsprachiger Film hat "Schtonk" beim Publikum allerdings nicht den erwarteten Erfolg. Nur zwei Millionen Zuschauer wollen in der Bundesrepublik über Dietls Kinofilm lachen. Das spielt lediglich die Produktionskosten ein.

Dreharbeiten zu »Faking Hitler«

Obwohl (oder weil) die Messlatte mit »Schtonk« so hoch liegt, entschließt sich RTL, den Stoff erneut zu verfilmen, diesmal jedoch als sechsteilige TV-Serie, die zunächst einmal der hauseigenen Streaming-Plattform vorbehalten ist. Grundlage der Produktion ist ein zehnteiliger Podcast, in dem der Stern die dunkelsten Stunden seiner eigenen Verlagsgeschichte aufgearbeitet hat.
Anhand der bislang ungehörten mitgeschnittenen Telefonate zwischen Starreporter Gerd Heidemann und Fälscher Konrad Kujau erzählt der Podcast, wie es soweit kommen konnte. Er stieß auf eine beeindruckende Zuhörer-Resonanz und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

Mitte April 2021 fällt die erste Klappe der hochkarätig besetzten Serie - unter erschwerten Corona-Bedingungen. Gedreht wird fünf Wochen lang parallel mit zwei Teams unter anderem in Muffendorf bei Bad Godesberg, wo der sinnenfrohe Instinktmensch Kujau (Moritz Bleibtreu) mit seiner Lebensgefährtin wohnt, in Düsseldorf, Köln, Troisdorf und Solingen.

Gleich mehrere Drehorte steuert die Eifel bei, zunächst einmal auf belgischer Seite die Wesertalsperre bei Eupen, wo früher die Macher der Serie „Alarm für Cobra 11“ öfter einmal Station gemacht haben.
Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang im Zentrum des Nationalparks Eifel ist ein weiterer Schauplatz - das passt ja irgendwo zum Stoff. Hier wird der Grenzübergang von Deutschland nach Österreich nachgestellt, an dem sich Kujau nach Österreich absetzen will, was ihm aber nicht gelingt.
Ein prächtiges Anwesen in Kreuzau, zwischen Nideggen, Düren und Hürtengenwald gelegen, ist ein weiterer Drehort. Das schlossähnliche Haus Kickley gehörte einmal der Dürener Industriellenfamilie Hoesch, später dem Unternehmer und langjährigen Präsenten des Fußballclubs Fortuna Köln, Jean Löring. Stern-Reporter Gerd Heidemann (Lars Eidinger) ist hier mit seinem Jaguar die Hauptfigur.

Filmkritik

• Warum muss eine Serie über die gefälschten Hitler-Tagebücher etwas dazuerfinden? "Faking Hitler" ist ein Paradebeispiel für die Ideenlosigkeit fiktionaler TV-Stoffe.
Zeit online

• Kein Remake von "Schtonk", auf jeden Fall aber sehr unterhaltsam und keineswegs zu lang mit seinen sechs Folgen.
Tilmann P. Gangloff, tittelbach.tv

• Allein wegen der großartigen Schauspieler lohnt sich die neue Serie "Faking Hitler" über die Geschichte hinter einem der größten Presseskandale Deutschlands.
Stern

Bewertung:   7,5/10  IMDb


NS-Ordensburg Vogelsang

Den riesigen Gebäudekomplex oberhalb der Urfttalsperre im Nationalpark Eifel könnte man für eine mittelalterliche Burg halten, trutzig in den Hang gebaut. Graue Schieferdächer, wehrhafte Bruchsteinfassaden. Doch weit gefehlt: Inmitten des Nationalparks Eifel befindet sich eine der größten Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie erst britischer, dann belgischer Truppenübungsplatz. Seit 2006 entwickelt sich ein neuer Ort: Vogelsang IP als „Internationaler Platz“ für Toleranz, Vielfalt und friedliches Miteinander. Heute ist Vogelsang IP ein Ausstellungs-, Kultur- und Bildungszentrum, ein außerschulischer Lernort und ein außergewöhnlicher Tagungs- und Veranstaltungsort mit dem original erhaltenen Kinosaal aus den 1950er Jahren.

Herzstück ist das neue Forum Vogelsang IP mit seinem markanten Besucherzentrum aus Stahl und Glas direkt auf dem historischen Adlerhof. Von hier gelangt man direkt zu den beiden zentralen barrierefreien und viersprachigen Dauerausstellungen des Ortes: die NS-Dokumentation „Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“ und die Erlebnisausstellung „Wildnis(t)räume“ des Nationalpark-Zentrums Eifel.

Die große Flut

Knapp vier Wochen nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe vom 14. Juli 2021 gab es gute Nachrichten aus dem Nationalpark Eifel: Die wichtigsten Wanderwege - inklusive des 84 Kilometer langen „Wildnis-Trails“ - sind wieder frei, Ranger- und Waldführer-Touren wieder möglich.
Auf Grund seiner Lage auf dem Plateau haben Burg Vogelsang selbst, das Besucherzentrum und die Nebengebäude nur geringe Schäden hinnehmen müssen, ganz anders als die Nationalparkverwaltung mit Sitz in Gemünd. Das Hauptgebäude des Nationalparkforstamtes sowie die Büromodule dahinter standen bis zu 1,30 Meter unter Wasser. Nach den Räumungs- und Säuberungsarbeiten müssen beide Gebäude kernsaniert werden. Das gilt auch für das zerstörte Nationalparktor in Gemünd, eine Art Infocenter mit interaktiven Ausstellungen, das bis auf Weiteres geschlossen bleibt.
"Amtshilfe" leistete der Nationalpark für die umliegenden Ortschaften in ungewöhnlicher Form: Der große Besucherparkplatz in der Nähe von Burg Vogelsang wurde als Zwischenlager für tausende Tonnen Schutt hergerichtet, die bei der Flut in der ganzen Region angefallen waren.

Bewertung:   4,0/5  Tripadvisor

    Inhaltsverzeichnis


TV-Serie

RTL+  2021


Regie: Tobi Baumann, Wolfgang Groos
Produktion: UFA Fiction
Darsteller: Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu, Daniel Donskoy, Ulrich Tukur









WDR-Zeitzeichen:
Konrad Kujau






SWR2-Wissen: Ordensburgen