Herbie Feldmann und die Blaublüter

Stefan Lieser, Kölner Stadt-Anzeiger • 14. April 2023


Neuerscheinung auf dem Büchermarkt: Ralf Kramps skurriler Ermittler löst seinen elften Fall.

Die Burg Kerpen in der Vulkaneifel ist Cover-Motiv und reales Vorbild für Ralf Kramps „Blaues Blut“. (Stefan Lieser)

Kreis Euskirchen. Herbert „Herbie“ Feldmann ist wieder da: Der skurrile Ermittler wider Willen samt seinem Neben-sich-Geher Julius von Eifelkrimi-Spezialist Ralf Kramp löst in „Blaues Blut“ seinen elften Fall.

Als Drickes im Martinsfeuer brennt, ist klar: Dieser Kriminalfall läuft auf ein gewaltsames Ende zu. Herbie Feldmann aber, der schrullige Ermittler, dessen Schizophrenie zu seinem „Dauergast“ Julius geführt hat, erweist sich als Held: Er versucht, den Drickes zu retten. Das gelingt zwar, doch dessen Brandverletzungen führen dennoch zum Tod. Der Sterbende gibt ihm noch den Tipp, der am Ende einen Mordfall lösen wird.

In dieser Schlüsselszene von „Blaues Blut“ ist schon vieles enthalten, was die Eifelkrimis des gebürtigen Euskircheners, der seit vielen Jahren in einem kleinen Weiler in der Vulkaneifel lebt, so typisch macht: Wie es – natürlich ohne die Verbrennung eines Menschen – an einem Martinsfeuer in einem Eifeldorf zugeht, das hat Ralf Kramp natürlich schon öfter selbst erlebt, hier ist es genau beobachtet.

„Ich versuche, möglichst authentisch zu schreiben“, so der Autor beim Gespräch im Café Sherlock in seinem Kriminalhaus in Hillesheim. Dazu gehört eben auch, dass der Drickes den von Heinrich im Eifeldialekt abgeleiteten Vornamen trägt. Außerdem taucht die Bezeichnung Tuppes auf – als Spitzname für jemanden, der nicht so ganz auf der Höhe ist. Und es gibt eine Heimatforscherin namens Frau Pützer, deren Nachname im Raum Kall und Hellenthal, beides Handlungsorte in „Blaues Blut“, gebräuchlich ist.

Solche Zutaten aus dem wirklichen Eifelleben sind typisch für Ralf Kramps schwarzhumorige Kurzgeschichten wie für seine Kriminalromane. In „Blaues Blut“ ist es die Gegend um Hellenthal und Hollerath, die er literarisch verewigt. Eine ganze Burg hat er ins idyllische Prethtal gesetzt: der Stammsitz derer von Fahrenfels und Sitz des letzten Sprosses des alten Eifeladels, Vico von Fahrenfels. Im Zuge der Recherchen versicherte ihm der Ur-Eifeler Karl Reger aus Rescheid, dass unweit des Fahrenfelsschen Berghangs einst tatsächlich eine Burg gestanden habe.

Die Fiktion jedenfalls ist Anlass für den Einstieg Herbie Feldmanns ins Geschehen. Typisch Kramp ist, dass das Vorbild des alten Gemäuers im Krimi ein Reales ist. „Ich hätte einfach eine Burg planen können, mein Vater war Architekt, das hätte ich hingekriegt“, so der Autor. Aber dann fand er, was er suchte, im wenige Kilometer von seinem Krimiverlagssitz in Hillesheim entfernten Örtchen Kerpen: Der dortige Raubrittersitz, der im 20. Jahrhundert lange Landschulheim war, gehört seit sechs Jahren einem mit Kramp befreundeten Ehepaar, das ihn gerade renoviert. Ein Gemäuer wie aus dem Bilderbuch, das jetzt das Cover von „Blaues Blut“ ziert.

Hier nimmt im Eifelkrimi mit einem mysteriösen, tödlichen Autounfall alles seinen Anfang, hier versammeln sich am Ende alle Tatverdächtigen zur Lösung. Das sei ja wie bei Hercule Poirot, dem legendären Ermittler von Agatha Christie, lässt Kramp eine seiner Figuren anmerken. „Ja, ich liebe diese Szenerie, wo alle da sind, und keiner weiß, wer es war“, gesteht Kramp, ein bekennender Christie-Fan. Von der Hommage an sie darf der Leser durchaus wissen. Andere Anspielungen an die Kriminalliteraturgeschichte beziehen sich auf Edgar Wallace, die Dracula-Thematik oder auch auf die Harry Potter-Bücher.

Vor allen Dingen aber ist „Blaues Blut“ ein unterhaltsames Stück Kriminalliteratur. Nicht nur Julius’ ironisch-besserwisserische Über-Ich-Kommentare sorgen für Wortwitz und Situationskomik. Kramp hat zudem als eine kleine Nebenhandlung das Verschenken von Hehlerware zum Thema gemacht. Genauer geht es um eine Kopie des Thermomix, den elektrischen Alleskönner. „Der Hype um das Gerät treibt ja mittlerweile kuriose Blüten“, sagt Kramp. Für ihn war das offenbar eine Steilvorlage, immerhin wurde auch schon in einer seiner Kurzgeschichten mit dem Thermomix kleingehäckselt, was nicht kleingehäckselt werden dürfte. In „Blaues Blut“ wird das Maschinchen verlässlich für die Herstellung von Eierlikör gelobt, was wiederum den Tatsachen entsprechen soll.

Das gilt am Ende auch für die Ausgangslage von „Blaues Blut“, die Schilderung der komplexen wie rigiden Standesregelungen in Adelshäusern. Für deren Echtheit konnte sich Kramp der Tipps von Franz-Josef und Jeanette Beißel von Gymnich auf Burg Satzvey bedienen. Am Ende aber relativiert sich nach Mord und Totschlag der vermeintliche Standesdünkel in „Blaues Blut“. Da heißt es lapidar: „Adel sitzt im Gemüte, nicht im Geblüte.“

Ralf Kramp, Blaues Blut, KBV-Verlag, Hillesheim, 15 Euro, ISBN 978-3-95441-611-0


PREISVERLEIHUNG

Mit dem Ehren-Glauser für sein Lebenswerk wird Ralf Kramp auf der diesjährigen Criminale in Darmstadt ausgezeichnet. Er erhält den von einer Jury des Syndikats, des Vereins für deutschsprachige Kriminalliteratur, ausgeschriebenen Preis für seine Eifelkrimis, seine Tätigkeit als Verleger regionaler Kriminalliteratur, die Gründung des Kriminalhauses mit seiner Frau Monika, das Deutsche Krimiarchiv, die Mitinitiierung des Krimifestivals „Tatort Eifel“ und Hillesheim als „Krimihauptstadt“.