Z ugegeben, der Tatort war nicht Mendig in der Vulkaneifel, sondern Frankfurt, und geboren wurde Rosemarie Nitribitt am 1. Februar 1933 in Düsseldorf. Den größten Teil ihrer Jugend verbrachte das uneheliche Kind jedoch bei einer Pflegefamilie in Mendig, denn sie galt als schwer erziehbar, wurde mehrfach in Erziehungsheime eingewiesen und riss immer wieder aus. Nach allem, was man weiß, war es keine sehr glückliche Jugend.

Kein guter Start

Zur Zeit ihrer Geburt interessierte sich niemand für sexuelle Identitäten, sehr viele aber für die »richtige« Herkunft. Die gute, alte Zeit? Eher nicht, selbst wenn man ausklammert, was in den nächsten 12 Jahren in Deutschland geschehen sollte.
Rosemarie war ehrgeizig, und sie sah blendend aus. Ihr Pech - für eine Karriere als erfolgreiche Influencerin war sie mindestens 60 Jahre zu früh geboren. Ein reicher Ehemann bot sich wohl auch nicht unmittelbar an, also entschied sich Rosemarie für die drittbeste Lösung und verdiente bereits als Heranwachsende ihr erstes Geld mit Prostitution.

Die Großstadt lockt

Das Geschäft, so ahnte sie früh, würde in der Großstadt besser laufen als auf dem Land; so zog sie - noch als Minderjährige - erst nach Koblenz, dann nach Frankfurt. Dabei gab sie sich große Mühe, ihre einfache Herkunft zu verbergen. Um nicht durch mangelnde Bildung aufzufallen, lernte sie Englisch, Französisch und belegte Kurse für „gutes Benehmen“ - es reichte ihr offenbar nicht, einfach nur „die heißeste Braut hinterm Bahnhof“ zu sein.

Geld regiert die Welt

Ihre Freier mussten vor allem eins haben - Geld. Einer schenkte ihr 1954 einen Opel Kapitän, damals beinahe ein Oberklassen-Fahrzeug, andere luden sie zu Urlaubsreisen ans Mittelmeer ein. Zwei Jahre später erwarb sie aus eigenen Mitteln den berühmten schwarzen Mercedes-Benz 190 SL, der ihr Markenzeichen wurde. Ihr - natürlich unversteuertes - Einkommen im letzten Lebensjahr soll etwa 90.000 DM betragen haben: Für eine Freiberuflerin ein phänomenales Ergebnis, vor allem, wenn man die geringen Abzüge berücksichtigt!
Rosemarie engagierte einen Fotografen und ließ sich in ihrem PS-starken Gefährt in Szene setzen. Mit etwas Mut zu kreativer PR hätte die Geschichte vielleicht ein gutes Ende nehmen können: Die Nitribitt wäre keine schlechte Besetzung als „Fräulein-Wunder“ auf internationalen Tourismusmessen gewesen oder sogar als „Wirtschaftsbotschafterin“. Aber daran hat wohl seinerzeit niemand gedacht, und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Sex & Crime

Rosemarie Nitribitt wurde am 1. November 1957 mit einer Platzwunde am Kopf und Würgemalen am Hals tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Für die Boulevard-Presse war der Fall über Wochen und Monate ein gefundenes Fressen, denn es ging um mehr als „sex & crime“:
Bei einem Mord an einer erfolgreichen Prostituierten im Milieu wäre die Presse nach kurzer Zeit zur Tagesordnung übergangen. Bei den polizeilichen Ermittlungen im Fall Nitribitt stellte sich jedoch heraus, dass sie Kontakt zu bedeutenden Persönlichkeiten hatte. Da der Mordfall nicht aufgeklärt werden konnte, kam es zu Vermutungen, dass einflussreiche Kreise aus Wirtschaft und Politik die Aufklärung zu verhindern suchten.
Ein verdächtiger Freund wurde 1960 vom Schwurgericht freigesprochen, da die Beweise nicht ausreichten. Theaterstücke, Bücher und Filme haben in den folgenden Jahrzehnten den Fall immer wieder aufgegriffen, zuletzt 2021 die Arte-Dokumentation »Tod einer Edelhure - Skandal um Rosie«.


In Mendig

ging es früher heiß her: Seit etwa 450.000 Jahren prägen Vulkanausbrüche die Landschaft, Ruhe ist hier erst in den letzten 10.000 Jahren eingetreten.
Wenn RTL (Katastrophenschocker »Vulkan«) - aber auch renommierte Geologen - Recht behalten, könnte sich das aber in absehbarer Zeit wieder ändern, was die knapp 10.000 Einwohner nicht besonders aufzuregen scheint. Immerhin boten die Hinterlassenschaften des Vulkanismus der Bevölkerung eine gute wirtschaftliche Grundlage: Archäologen haben für die vergangenen 7.000 Jahre den Abbau und die Verarbeitung der Basaltlava dokumentiert, vor allem als Mühlstein und für Werksteine.

Durstlöscher

Nach dem Niedergang der Mühlsteinindustrie wurden die Stollen und Gewölbe zu Gär- und Lagerkellern für zeitweise 28 Brauereien umfunktioniert.
Heute gibt es vor Ort zwar nur noch eine Brauerei, dafür aber einen Lava-Dome, die Lavakeller und die Museumslay als Touristen-Attraktionen. Mendig ist seit 1987 Sitz der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft und Zentrum des Vulkanparks.

Frauenpower

Zwei Frauen aus Mendig haben zu unterschiedlichen Zeiten deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt - Rosemarie Nitribitt und die 1970 in Mendig geborene Andrea Nahles. Ihre steile politische Karriere als Juso-Vorsitzende, Bundesministerin und SPD-Vorsitzende endete weit weniger dramatisch: Nahles Abschied aus der Tagespolitik wurde 2020 mit dem Job als Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation versüßt, Bundeskanzler Scholz berief sie im Frühjahr 2022 an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit.
Ob ihr Leben (und Sterben) auch einmal verfilmt wird? Wer weiß…

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